User Experience in a nutshell

„Es hilft nichts, wenn die Fassade toll aussieht, aber niemand ins Haus kommt, weil vergessen wurde die Tür einzubauen“. Unsere UI/UX-Expertinnen Sina Busch und Annelie Götze sprechen im Interview über die Rolle von User Experience und warum dadurch am Ende ein besseres Produkt entsteht. 

Annelie und Sina, Ihr seid User Experience Expertin bei XITASO. Braucht man diese Rolle überhaupt in der Software-Entwicklung? Das gab es doch früher auch nicht als dedizierte Rolle.

Sina: Die kurze Antwort ist: Ja, braucht man. Vor allem wenn man eine Software haben will, die die Nutzer*innen einfach und unkompliziert bedienen können. Wir sind darin geschult, die Bedürfnisse der Nutzer*innen herauszuarbeiten und dadurch Prozesse zu optimieren – und das tun wir anhand von erhobenen Daten und Fakten. Das Ergebnis sind zufriedenere, weniger gefrustete Mitarbeiter*innen.

Verzichtet man auf UI/UX-Expert*innen, kann es am Ende richtig teuer werden, sollten plötzlich neue Anforderungen auftauchen, die vorher nicht ausreichend bedacht wurden und die dann sehr schwer umzusetzen sind.

Aber die Rolle von UI/UX ist doch dazu da, Oberflächen visuell ansprechend und ästhetisch zu machen – das lässt sich doch immer nachträglich anpassen?

Annelie: Nein, das ist nur ein winziger Bruchteil der Rolle. Es geht vielmehr darum, sinnvolle Lösungen mit Mehrwert zu entwickeln. Lösungen für Probleme, die Menschen in ihrem (Arbeits-)Alltag haben. Wenn es in einem Software-Projekt keine Person gibt, die sich dediziert um die Belange des Menschen kümmert, der die Software am Ende bedient, gehen diese Belange sehr oft unter. Die Ästhetik spielt natürlich eine Rolle, ist aber der allerletzte Schritt in einem strukturierten und analytischen Prozess.

Quelle: https://vk.com/piterskii_punk_wall

Sina: Wenn ich ein Haus baue, denke ich vorher nach, was der Zweck des Gebäudes ist und beziehe die Bewohner*innen mit ein. Es hilft nichts, wenn die Fassade hinterher toll aussieht, aber niemand ins Wohnzimmer kommt, weil vergessen wurde die Tür einzubauen und die Personen dann durchs Fenster steigen müssen.

„Even the best designers produce successful products only if their designs solve the right problems. A wonderful interface to the wrong features will fail.“ 

JAKOB NIELSEN

Sind die Belange der User nicht meistens allgemein bekannt? Die meisten Kunden kommen doch zu XITASO und kennen das Problem?

Sina: Das mag teilweise zutreffen, aber für gewöhnlich kennen unsere Ansprechpartner*innen den Arbeitsalltag der Nutzer*innen nicht bis ins letzte Detail und es sind meist auch nicht die Personen, die die Anwendung am Ende bedienen. Es gibt immer eine Lücke zwischen der Wahrnehmung der Personen, die zum Beispiel die Software mit entwickeln, bestellen oder die Projektleitung übernehmen und der Wahrnehmung der Endnutzer*innen. Das ist gar nicht schlimm und völlig normal, allerdings kann es sein, dass diese Wissenslücke uns zu einer weniger guten Software-Lösung führt.

„At most project meetings, everyone has a seat at the table except the poor victims who will have to operate the technology.“

JAKOB NIELSEN

Was ist mit „weniger gute Software-Lösung“ gemeint?

Annelie: Der Wunsch unserer Kunden ist: „Wir wollen eine intuitive Software mit toller Usability“. Was bedeutet gute Usability? Die Definition ist ganz einfach: Es geht um das „Ausmaß, in dem ein System, […] durch bestimmte Benutzer […] genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiveffizient und zufriedenstellend zu erreichen.“ (ISO 9241-11:2018, Kapitel 3.1.1) Und wie eine Person am effektivsten und effizientesten ihre eigene Arbeit verrichtet, kann in erster Linie nur diese Person selbst beantworten oder eine Person der gleichen Zielgruppe.

Stell dir vor, du kaufst ein Auto, mit dem du von A nach B fahren möchtest. Das Auto zwingt dich aber, mittendrin ein paar Umwege oder Schleifen zu fahren, weil es glaubt, dass es so besser ist – so fühlt sich Software an, die nicht auf die Ziele der Endnutzer*innen zugeschnitten ist.

Wenn man den Kontext des Endnutzers nicht genau kennt, kann es sein, dass man Entscheidungen für die Software-Lösung trifft, die dem User das Leben eher erschweren als vereinfachen.

„Tennisbälle halbieren spart Platz und gibt mehr Stauraum.“

Wie erarbeitet Ihr die Lösungen?

Sina: Wir UI/UX-Expert*innen bei XITASO arbeiten nicht aus einer Laune heraus, sondern nach einem Prozess, der sich „Nutzerzentrierter Gestaltungsprozess“ nennt. Dieser ist seit Jahren in einer ISO-Norm beschrieben (ISO 9241-210) und folgt immer dem gleichen Schema: Erst die Zielgruppe verstehen und analysieren. Das wird Nutzungskontextanalyse genannt. Danach folgen die Anforderungsanalyse, dann die ersten Entwürfe und dann wird direkt mit den Endnutzer*innen getestet, um wertvolles Feedback zu bekommen. Der letzte Schritt ist der Wichtigste, denn nur durch echtes Nutzerfeedback können wir das Produkt verbessern. Dieser Prozess ist iterativ und wiederholt sich ständig. In jedem Prozessschritt haben wir viele Methoden in unserem Werkzeugkoffer, um zur richtigen Zeit die richtigen Informationen herauszukitzeln.

Wer ist in Euren Prozess involviert?

Annelie: Bei XITASO glauben wir, dass das gesamte Team involviert werden sollte. Und damit sind alle Personen gemeint, die für den Erfolg des Produkts nötig sind. User Experience Expert*innen können nicht alleine agieren, sondern sind auf die Zusammenarbeit mit anderen Menschen angewiesen: Wir brauchen den Input und die Anforderungen der Endnutzer*innen, die Vision und den Business Case unserer Kunden, natürlich das Feedback von den Personen, die die Software implementieren, um die Machbarkeit zu erörtern, Product Owner, die genau wissen, welche Funktionalitäten am wichtigsten einzuordnen sind und was der Markt braucht. Der nutzerzentrierte Gestaltungsprozess lässt sich sehr gut mit agiler Software-Entwicklung verbinden, da beides auf Feedbackschleifen ausgelegt ist.

Durch diesen Prozess entstehen Produkte, …

  • bei denen nach Markteinführung weniger „repariert“ werden muss, da das Produkt nach Nutzungsanforderungen gestaltet und vor Markteinführung getestet wird.
  • die wettbewerbsfähig sind, da auch der Markt und die Konkurrenz analysiert und abgeglichen werden, was das Produkt besser machen kann als andere.
  • die weniger risikoreich für den Ruf ihres Unternehmens sind. Produkte, die von den Usern gerne verwendet werden, stärken die positive Wahrnehmung des Unternehmens.
  • die weniger Kosten in der Produktentwicklung verursachen, da weniger Änderungen während der Implementierungsphase nötig sind.

Habt Ihr noch einen Tipp für UX-Interessierte?

Sina: Wenn man eine Antwort auf die Frage nach dem „Zweck“ der Software hat – WARUM wird hier Geld für eine Anwendung investiert – und dann auch noch genau erörtern kann FÜR WEN die Anwendung gedacht ist – dann steht dem Produkterfolg eigentlich nichts im Weg.

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