Erfolgreiche Operationalisierung von KI-Lösungen

Teil 1/3 – von MVP zum Produkt

Wie wird aus einem MVP eine skalierbare KI-Plattform? Vielversprechende KI-Projekte scheitern oft, weil die Operationalisierung nicht von Anfang an mitgedacht wird. In unserer Blogserie zeigen wir, wie der Übergang zur produktionsreifen KI-Lösung gelingt – dieser erste Beitrag startet mit konkreten Strategien zur Kostenoptimierung und Skalierung, untermauert durch reale Projektbeispiele.

Operationalisierung als fester Projektabschnitt erfolgreicher KI-Projekte

KI-Projekte erblicken das Licht der Welt häufig als PoC (Proof of Concept) bzw. MVP (Minimum Viable Product): Leichtgewichtig implementiert, um technische Machbarkeit bzw. Nutzererlebnis zu demonstrieren, Risikokapital zu minimieren und Entscheider zu überzeugen. Wurde die Machbarkeit bestätigt und ein positiver Business Case errechnet, liegen die nächsten Schritte aus Entscheiderperspektive auf der Hand – Ausrollen auf eine größere Nutzerbasis, um Mehrwert zu realisieren, im Idealfall ohne größere Aufwände. Leider führt dies in der Praxis schnell zu überlasteten oder kostenintensiven Systemen da diese aufgrund der leichtgewichtigen Implementierung Schwierigkeiten bei Erweiterungen um neue Features aufweisen und nicht auf größere Nutzerzahlen ausgelegt sind. Die Folge ist flächendeckender Unmut und Nicht-Akzeptanz der Lösung, was selbst bei erfolgreichen PoCs häufig dem Todesstoß für die KI-Lösung entspricht.

Doch es geht auch anders! Wenn als eigener geplanter Projektabschnitt mit anderen Qualitätskriterien, Rollen, Metriken und Budgets als die Experimentierphase verstanden und im Redesign des Systems berücksichtigt werden, bleiben böse Überraschungen aus. Unsere Erfolgsformel ist daher: erst Wirkung testen (PoC), dann Nutzererlebnis und Prozesse validieren (MVP), schließlich Robustheit, Sicherheit, Kosten und Skalierung industrialisieren (Produkt).

Dies spiegelt sich in den unterschiedlichen Projektphasen durch unterschiedliche Anteile der benötigten Rollen wieder: während der Prototypenphase werden überwiegend Data Analysten und ML-Engineers gebraucht, wohingegen in der Operationalisierungsphase deutlich mehr Dev-/MLOps Engineers eingesetzt werden, um die Skalierbarkeit zu erreichen bzw. sicherzustellen.

Wie können KI-Lösungen optimiert und skaliert werden?

Kostenoptimierung

Während PoC/MVP konzipiert sind, um mit möglichst minimalem Invest möglichst viel Mehrwert aufzeigen zu können, gewinnt auf dem Weg zum skalierbaren Produkt Kosteneffizienz an Bedeutung. Daher muss im Sinne von FinOps von „Proof of Value“ zu „Proof of Unit Economics” umgedacht werden. Neben Genauigkeit und Nutzerzufriedenheit treten klare Metriken wie Kosten pro 1.000 Anfragen und Kosten pro beantworteter Frage in den Vordergrund. Diese Metriken bestimmen, ob ein Use Case skaliert – oder an der Cloud-Rechnung scheitert.

Caching als zentraler Bestandteil der Kostenoptimierung

In GenAI Workloads sind 15-60% der Anfragen Varianten bekannter Fragen. Während des Inferencings vermeidet demnach ein Frage-Antwort-Cache (Prompt Caching) redundante Berechnungen für wiederkehrende Anfragen vollständig. Dadurch werden Tokens und Zeit gespart und „nebenbei“ Latenzen stabilisiert. Ein ähnliches Verhalten ist bei der Berechnung von Features zu beobachten: teure Transformationen wie Embeddings sollten, wo möglich, wiederverwendet werden. Semantic Caching erlaubt es durch Embedding-basierte Ähnlichkeitssuche auch nicht exakte Übereinstimmungen zu cachen und dadurch semantisch verwandte Anfragen mit gecachten Antworten zu bedienen. Gerade in Kombination mit Prompt Caching ergeben sich deutliche Einsparpotenziale. Darüber hinaus ermöglicht Caching auch in Bereichen mit häufig ähnlichen Anfragen wie z.B. Customer Service Kosteneinsparungen von bis zu 80%. Die Verwendung von Caches ist jedoch Use-Case abhängig und lohnt sich nur wenn Trefferkosten + Verwaltungsaufwand < Kosten für Anfragen, die nicht im Cache enthalten sind (Cache-misses), demnach sollte vor der Implementierung durch geeignetes Monitoring sichergestellt werden, dass sich der Use-Case eignet und die erwarteten Ersparnisse realisierbar sind.

Kostenoptimierung jenseits von Caching

Multi-Model Routing optimiert die Ressourcenallokation durch intelligente Zuweisung von Anfragen an das jeweils kosteneffizienteste Modell. Einfachere Anfragen können normalerweise von kleineren oder quantisierten Modellen bearbeitet werden wohingegen komplexere Anfragen größere, und damit kostenintensivere Modelle benötigen. Durch Multi-Model Routing können bis zu 30% Kostenreduktion ohne Genauigkeitseinbußen ermöglicht werden.

Bei Use Cases in denen Antwortzeiten keine Rolle spielen kommt Batch Processing in Betracht. Es steigert die GPU-Auslastung durch simultane Verarbeitung multipler Anfragen erheblich, was sich direkt im Pricing widerspiegelt: OpenAIs Batch API bietet für asynchrone Workloads einen 50%-igen Kostenrabatt im Vergleich zu Einzelanfragen, während Anthropics Message Batches API ebenfalls 50% der Standard-API-Preise berechnet. Allerdings kommt diese Kosteneinsparung nur für Use Cases in Betracht, bei denen Antwortzeiten keine Rolle spielen.

Als letzten Punkt mit geringer Implementierungshürde bietet sich die Limitierung der Antwortlänge an. Diese kann dynamisch anhand des Anfragetyps gewählt werden, reduziert die benötigten Tokens und damit direkt die Kosten.

Skalierungsstrategien mit Kubernetes

Während optimierte Modelle und intelligente Caching-Mechanismen die Basis-Kosten pro Anfrage senken, entscheidet die Skalierungsstrategie darüber, ob Ressourcen auch tatsächlich nur dann bereitgestellt werden, wenn sie benötigt werden. KI-Workloads zeichnen sich typischerweise durch stark schwankende Lasten aus: Inference-Services erleben Anfragespitzen zu Geschäftszeiten und nahezu Stillstand nachts, während Training-Jobs phasenweise maximale GPU-Kapazität benötigen und anschließend keinerlei Ressourcen beanspruchen. Statische Ressourcenallokation führt zwangsläufig zu einem von zwei Problemen – entweder zu Überprovisionierung mit entsprechend hohen Kosten oder zu Unterversorgung mit Performance-Einbußen und SLA-Verletzungen. Anhand von zwei Praxisbeispielen geben wir einen Einblick in die Skalierungsstrategien realer Projekte.

Praxisbeispiel I:

Vom PoC zur belastbaren KI-Plattform bei 70.000 Nutzern

Ein GenAI-Assistenzservice startete als PoC mit wenigen Testern und überzeugte in Usability und Antwortqualität. Beim Pilot-Rollout auf >70.000 Nutzer traten jedoch massiv steigende p95-Latenzen, Timeouts unter Burst-Last und ungleichmäßige Auslastung einzelner Nodes zutage – verursacht durch fehlende Skalierungslogik und eine nicht deterministische Lastverteilung. Die Konsequenz: schwankendes Nutzererlebnis und drohende SLA-Verletzungen.

Die durch XITASO durchgeführte Operationalisierung adressierte das Problem systematisch. Zunächst wurden regelmäßige, realitätsnahe Lasttests etabliert – eingebunden in CI/CD und entlang typischer Tageslastkurven mit Spitzenlasten. Statt reiner API-Tests wurden zudem browserbasierte User-Journeys mit Headless-Browsern simuliert, um End-to-End-Verhalten (Rendering, Caching, Auth, RAG-Lookups) realistisch abzubilden. Ein Observability-Setup aus Prometheus (Metriken), Grafana (Dashboards) und Jaeger (Distributed Tracing) machte Hotspots sichtbar: z. B. langsame Downstream-Calls in Stoßzeiten und einzelne überlastete Pods.

Skalierung und Stabilität wurden daraufhin über mehrere Ebenen gehärtet: eine Round-Robin-Verteilung der Requests über alle Nodes beseitigte Hotspots; der Horizontal Pod Autoscaler (HPA) skalierte Replikas nach CPU-/RAM-Auslastung und request rate; der Cluster Autoscaler erweiterte die Node-Kapazität automatisch bei Warteschlangenbildung. Readiness-/Liveness-Probes, PodDisruptionBudgets und Rolling Updates mit Connection Draining stellten Zero-Downtime bei Skalierung sicher.

Das Ergebnis: Stabilisierte p95-Latenz auch unter Lastspitzen, deutlich reduzierte Fehlerraten und elastische Kosten durch bedarfsgerechtes Hoch- und Herunterskalieren – die Grundlage für ein produktionsreifes Nutzererlebnis jenseits des PoC.

Praxisbeispiel II:

Vom MVP zur mandantenfähigen KI-Plattform

Nach Entwicklung eines schlanken MVPs begleiteten wir das Projekt bis hin zum produktiven Launch. Dazu wurde das KI-System mithilfe des Azure Kubernetes Service (AKS) für den produktiven Einsatz gerüstet. Durch Infrastructure-as-Code umgesetzt mit Terraform und Helm Charts für Deployments und Konfiguration wurde das System konsequent versionskontrolliert und reproduzierbar.
Der initiale Cluster startete bewusst klein (1 Node mit 16 GB RAM und 64 GB Storage), um Lastprofile, SLOs und Unit Economics in der Realität zu messen, bevor Skalierung freigeschaltet wurde. Auf Basis dieser Messungen implementierten wir eine mehrstufige Skalierungsstrategie: Storage-Auslastung diente als Frühindikator für Wachstum; sobald 80 % erreicht wurden, erhöhte der Cluster automatisch die Node-Anzahl, sodass eingehende Workloads ohne Warteschlangen oder Drosselung aufgenommen werden konnten. Parallel dazu skalierten CPU und RAM durch Kubernetes-Autoscaler dynamisch nach Last. Für die Mandantenfähigkeit setzten wir auf Weaviate als Vektor-Datenbank: eigene Klassen pro Kunde realisieren eine klare logische Trennung der Daten, was sowohl im B2B-Szenario als auch innerhalb eines Unternehmens (etwa getrennte Abteilungen oder Regionen) eine saubere Data Isolation ermöglicht. Role-based Access Control auf API- und Anwendungsebene ergänzt die Trennung um fein granularen Zugriff.
Das Ergebnis: Skalierung ohne Service-Unterbrechungen, stabilisierte Latenzen zu Spitzenzeiten und transparente Kosten pro 1.000 Anfragen. Entscheidend war dabei die Kombination aus reproduzierbarem Setup (Terraform & Helm), lastgetriebener Ressourcenbereitstellung auf AKS und frühzeitig geplanter Multi-Tenancy in der Datenhaltung – exakt die Bausteine, die MVPs sicher in skalierbare KI-Lösungen überführen.

Mit den Facetten Kostenoptimierung und Skalierungsstrategien ist es mit der Operationalisierung noch nicht getan. Daher rücken wir im nächsten Teil den stabilen Betrieb in den Fokus: praxisnahe Backup- und Recovery-Strategien sowie planbare Maintenance inklusive kontinuierlichem Model-Retraining. Im dritten Beitrag schließen wir die Serie mit Security-by-Design und gesammelten Best Practices ab. Bleiben Sie dran, um zu sehen wie aus PoCs bzw. MVPs nachhaltig sichere, wartbare und skalierbare KI-Produkte werden.

Autoren

Dr. Simon Stieber

Dr. Richard Nordsieck